Auf dem Weg zum Himmelsturm
Inhaltsverzeichnis
Eintrag vom 9. Tsa 1007 BF
Ich habe heute den merkwürdigen Stein analysiert. Die Matrixfäden weisen ein einzigartiges und beeindruckendes Muster auf! In meiner bisherigen Laufbahn konnte ich noch nie so etwas sehen. Ihr Verlauf erinnert mich an die elfische Repräsentation, doch ist sie nicht gleich. Die Nodices sind in einem ganz anderen Muster angeordnet. Auch die Helices weisen eine viel stärkere Kraft auf. Weiters bilden die Submatricis ein ungewöhnlich feingliedriges Muster. Außerordentlich viele periphere Kraftfibrillen sind erkennbar. Sehr präzise Arbeit. Keine Okkupation apperzipierbar. |
Eintrag vom 10. Tsa 1007 BF
Heute brechen wir in Richtung Heiligtum auf. Es liegt im Nordosten des Yeti-Landes im Ozean auf einer Felsnadel. Unsere Gefährte sind ein großer und ein kleiner Eissegler. Die Reisezeit mag so an die zwei bis drei Tage dauern. Dann können wir nur hoffen, dass der Himmelsturm nicht mehr allzu weit weg ist. |
Eintrag vom 11. Tsa 1007 BF
Der heutige Tag war frustrierend, es war windstill, wir sind so gut wie nicht vorangekommen. Hoffen wir, dass morgen wieder eine leichte Brise aufkommt. |
Eintrag vom 12. Tsa 1007 BF
Oh wie verfluche ich meinen Wunsch von gestern! Ich sitze hier mit zittrigen Händen in meiner Schneehöhle, während draußen ein Sturm tobt. Er kommt aus dem Norden und dementsprechend sind die Temperaturen rapide gefallen. Wir kratzen wohl schon am Grimmfrost. Nie hätte ich mir gedacht, dass es an einem Ort von Dere solch Temperaturen gibt! Wenigstens sollten wir dank dem Wind morgen bei dem Heiligtum ankommen.
Leudalia scheint mir hier wirklich hilflos, schafft sie es doch immer noch nicht selber ein Schneeloch zu bauen. Gestern musste ihr Grim helfen, heute Crottet. Mehr vermögen meine klammen Finger für heute nicht zu schreiben. Mir graut bei dem Gedanken, dass es für uns noch weiter in den grimmigen Norden geht. Bei den Zwölfen, hoffen wir, dass der Turm nicht noch weiter in dieser Richtung liegt! |
Eintrag vom 13. Tsa 1007 BF
Wieder die gleichen Temperaturen, immer noch fegt eine steife Brise über uns hinweg. Doch will ich meine Pflichten gegenüber Hesinde nicht vernachlässigen und von den heutigen Erlebnissen berichten. In der linken Hand mein Stab, der mir Licht und Wärme spendet, in der Rechten meine Feder. So kalt wie es heute war, musste ich meine Tusche erst von Eisklumpen befreien, ehe es mir möglich war, diese Zeilen zu schreiben.
Wir fanden das Heiligtum, oben an einem Felsen, der über eine eisige Treppe erklommen werden wollte. Leudalia und Crottet verloren das Gleichgewicht und stürzten in die Tiefe, worauf einige von uns unten bei den Verletzten blieben mussten um sie zu versorgen. Peraine sei Dank, dass sie noch leben! Auf dem Plateau fanden wir vier Statuen im Halbkreis, drei davon von elfischer Gestalt, dazu ein liegender Drache. Dies ist der Gottdrache Pyrdacor, der Herr über die Elemente, früher angebetet von den Elfen. Die eine Elfe ist Nurti, ihre Form wandelt sich unaufhörlich, ihre Mimik durschreitet alle Lebensalter. Wir erfuhren, dass diese Gottheiten die Elfe Pardona erschufen um die Elfen zu zerstören. Diese hatten zu viel Macht, wollten die Welt selber nach ihrem Gutdünken formen. Mit einem Odem konnte ich die enorme Kraft sehen, die sich hier auftat, gebündelt bei der Statue des Gottdrachen Pyrdacor. Wie bemitleidenswert sind meine Gefährten und Gefährtinnen, ist ihnen doch dieser Anblick verwehrt. Aridhel legte unseren Stein, die Träne der Nurti, in eine dafür vorgesehene Vertiefung in den Steinkubus vor den Statuen. Da erhielten Vater Corvus und Aridhel eine Vision. Vater Corvus sah eine geflügelte Sonne, die Zeit raste dahin. Die Statuen wurden mit Gesang von den Elfen erschaffen. Der Turm, den wir suchen, liegt noch weiter im Norden. Kurz darauf erschien ein blendendes Licht, das uns für einige Minuten das Augenlicht beraubte. Nur ein blauer Strahl war zu sehen. Als unser Sinn nicht mehr getrübt war, erkannten wir, dass von den vier Steinen, von denen jeder in einer der Statuen eingelassen war, und von der Träne der Nurti Strahlen ausgingen und zu einem einzigen blauen Strahl vereinten. Dieser wies in die Richtung Nordnordost. Leider vermag ich nicht mehr länger meine Konzentration aufrechtzuerhalten, zu kalt ist es hier. Das Schneeloch bietet nicht den optimalen Schutz vor der Kälte. So will ich morgen fortsetzen. |
Eintrag vom 14. Tsa 1007 BF
Mir scheint, es ist etwas wärmer als gestern. Doch mag dies auch nur Einbildung sein.
Wir setzten unseren Weg in die gewiesene Richtung fort. Die eisigen Stiegen erwiesen sich als tückisch, auch Vater Corvus entglitt die Haftung, und er stürzte. Doch Boron hielt seine schützende Hand über ihn. Auf der Weiterfahrt heilten Aridhel und ich heimlich Leudalia. Sie war in einem jämmerlichen Zustand. Ich hoffe, sie merkt es nicht. Zu unserem Erschrecken verschwand kurz vor Sonnenuntergang unser richtungsweisender Strahl über uns. Wir fanden uns in der Klirrfrostöde wieder. Zerfurchtes Eis, Eishügel, geometrische Figuren und etwa dreißig Schritt hohe Eisdome, durch die der Wind pfeift, prägen die Umgebung. So wollten wir bis morgen warten, in der Hoffnung, dass wir die Richtung beibehalten könnten. Groß war die Freude am heutigen Morgen, als der Strahl mit Sonnenaufgang wieder erschien. Heute mögen wir wohl an die fünfzehn Stunden gefahren sein, die verschneite Ebene eignet sich gut für die Fortbewegung mittels Eissegler. Kein Ende des Strahls ist in Sicht. So folgen wir ihm morgen weiter in der Hoffnung, er möge uns bald zu unserem Ziel bringen. |
Eintrag vom 15. Tsa 1007 BF
Die Kälte nimmt zu je weiter wir in den Norden kommen. Heute Abend erreichten wir eine merkwürdige Stätte. Ein großer Hügel in der Form eines Iglus, umringt von Eisblöcken mit seltsamen Linien, die vielleicht die Schrift des alten hochelfischen Asdharia sein könnten. Der Durchmesser beträgt wohl gut fünfzig Schritt, in der Höhe sind es wohl fünfzehn.
Stiegen führten zu einem verschütteten Eingang. Wir schaufelten ihn frei und gelangten ins Innere, wo ein Weg nach unten führte. Er endete in einem Tor, das vor langer Zeit eingeschlagen wurde. Vor uns öffnete sich ein Raum, in dem Reste von Malereien zu erkennen waren: Eissegler, seltsame Fische und Bäume waren zu sehen. In der Mitte stand ein Schreibpult, auf dem die verkohlten Reste eines Buches zu finden waren. Bei Hesinde, welche Frevler haben dieses Wissen nur vernichtet! Möge die Göttin der Weisheit ihnen eine gerechte Strafe zuführen, schimpfte ich. Doch schon einen Raum weiter sah ich, dass diesem Wunsch schon genüge getan wurde. Drei elfische Eindringlinge, die wie Statuen aus Eis aussahen. Eine am Boden, in deren Rücken Eiszapfen herausragten, eine andere in der Mitte mit verfallener Kleidung und die letzte, die gerade mit einer Waffe zu einem Schlag ausholen wollte. Die Wände und die Decke des Raumes waren schwarz, überzogen mit leuchtenden silbernen Punkten. Eine Selbstschussanlage, wie sich herausstellte. Joela, Aridhel und Phileasson erreichten die andere Seite unversehrt. Als sie eine Tür öffneten, verschwanden die feinen Lichtfäden, die den Raum durchzogen, und wir anderen konnten passieren. Grimmfrostkälte durchzog mittlerweile das Bauwerk. Auf dem Eissegler erkannten wir einen Schriftzug, der besagte, dass die Elfen hier durch zerstörerische Magie gestorben waren.
Die meiste Aufmerksamkeit zogen aber die Bilder an der Wand auf sich. Vierzehn an der Zahl zuerst. Am ersten erkennbar ist ein Theater, ähnlich einem horasischen, dort saßen zwölf Elfen auf Stühlen, andere Elfen hörten den Zwölfen vorne zu. Wir wollten uns schon abwenden, als plötzlich wie von Geisterhand ein neues Bild erschien. Noch größer war die Verwunderung, als wir uns selbst in dieser Malerei erkannten. So lag der Schluss nahe, dass diese Wände von selbst die Geschichte aufzeichnen. Ich nehme an, dass dies die Ereignisse sind, wie sie sich vor vielen Jahrtausenden tatsächlich zutrugen. Fantastische Magie muss hier gewirkt worden sein. Ich wünschte, ich könnte länger hier verweilen um diese zu ergründen. Wir verließen dieses Grabmal in dem Wissen, Zeuge von uralten Ereignissen geworden zu sein. Doch wer diese Personen hier sind, wissen wir nicht. Möge der Himmelsturm uns weitere Auskunft darüber geben, was zu jener unglücklichen Zeit passiert ist. |
Eintrag vom 16. Tsa 1007 BF
Nun hat es die Temperaturen erreicht, die uns gestern im Mausoleum schon zittern ließ. Mögen wir bald den Turm erreichen, ich weiß nicht, welch noch kälteren Temperaturen unsere Körper noch ertragen können. Das Fahren ist mühsam, und wir sehnen uns nach etwas Wärme. Noch immer ist kein Ende unserer Fahrt in Sicht. Die Praiosscheibe spendet uns nur noch etwa zwei Stunden Licht. Wir alle beten zu Firun, auf dass er uns gnädig sein möge. |
Eintrag vom 17. Tsa 1007 BF
Noch immer fallen die Temperaturen. Es ist zermürbend. Auch die bizarre Eislandschaft kann uns nicht mehr von der Kälte ablenken. Schweigsam sind die Fahrten auf den Eisseglern. Es scheint als gefrieren einem die Worte, noch ehe sie den Mund verlassen haben. Die Gedanken der Gruppe drehen sich nur darum, ob wir es schaffen noch lebend beim Turm anzukommen. Mir war nicht bewusst, dass es Orte auf Dere gibt, an denen solch niederhöllische Temperaturen herrschen. Unsere Getränke sind gefroren, und wir können sie nur mühsam mit etwas Feuer wieder schmelzen. Immer noch weht eine Brise, die wenigstens ein Fortkommen möglich macht. |